Während sich gottlob mittlerweile rundum alle Experten und insbesondere auch Politiker reichlich Gedanken machen, wie sie Sammlungsgut aus kolonialem Kontext an die Herkunftsländer zurückgeben können, fordert die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag per Antrag 20/705 die Bundesregierung auf, die bereits laufenden Verhandlungen mit Nigeria wegen der Rückgabe der Benin-Bronzen einzustellen. Besonders dreist: Die Fraktion stellt sich vor, dass dieses Objekte als deutsche Leihgaben im Rahmen zeitlich befristeter Ausstellungen in Nigeria gezeigt werden könnten. Schlimmer geht’s nimmer (khs).
Im Mai ist es soweit. Dann darf das einst vom Bundesverband Deutscher Galerien gegründete Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung seinen 30. Geburtstag feiern. Das lange von Günter Herzog und mittlerweile von Nadine Oberste-Hetbleck geleitete ZADIK, wie es abgekürzt heißt, hegt die Hoffnung, weitere Schenkungen aus Galerien, Sammlungen und Redaktionsstuben zu erhalten, um dank der Archivalien dokumentieren zu können, wie sich der Kunstbetrieb entwickelt hat. Weil das ZADIK an die Universität zu Köln angedockt wurde, sind wissenschaftliche Standards garantiert. Ergo: Befürwortung, zweifelsfrei (khs).
Reicht es, wenn die grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth im kommenden Monat in die documenta-Stadt Kassel reisen will, um dort ein Eichen-Bäumchen zu pflanzen, zu Ehren von Joseph Beuys? Was auf den ersten Blick so sinnvoll und überfällig wirkt (weil die Grütters-Nachfolgerin, eine Frau mit etwas Musik- und Theater-Hintergrund, in Sachen Kunst noch nicht viel von sich gegeben hat), ist bei genauer Betrachtung eine Farce. Schließlich ist unvergessen, wie die Grünen einst, im Jahr 1983, dafür sorgten, dass Beuys, der die Partei zunächst stützte, auf einen völlig aussichtslosen Listenplatz abdrängten. „Beuys wurde damals politisch hingerichtet“, urteilte später ein Weggefährte. Hart, aber wahr (khs).
Wie aus dem Nichts tauchte er in New York auf, der deutsche Konzept-Artist Niclas Castello, der selbst hierzulande noch nicht wirklich bekannt ist. Aber dank seiner Marketing-Offensive im Central Park, wo er soeben für einen einzigen Tag einen stark bewachten 200-Kilo-Gold-Klotz abstellte, könnte sich das womöglich ändern. Zumindest haben etliche gezielt ausgewählte Amerikaner an einem damit verbundenen Dinner an der Wall Street teilgenommen. Der Block aus 24-karätigem Gold will freilich nicht als Zeugnis klassischer Bildhauerei gesehen werden, sondern den Zugang zur eigenen Krypto-Währung öffnen, Castello Coin, wie es aus New York heißt. NFT-Auktion also in Vorbereitung und damit die Frage, ob es um Kunst oder um reine Kapitalanlage geht (khs).
Wenn er sich in der „taz“ (Ausgabe vom 9. Februar) in einem immerhin zweiseitigen Interview flügelschlagend zu einem Vorhaben äußern darf, das noch nicht wirklich konzipiert ist, aber schon Zweifel keimen lässt, ob ein solcher Kunstsommer im Geflecht der Berliner Bezirke eine Chance hat, dann ist es kein Wunder, wenn Kultursenator Klaus Lederer den beiden Journalisten auch erklären muss, was derzeit auf Tempelhof passiert. In den maroden Hangars 2 und 3 stellt dank der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur der französische Bildhauer Bernar Venet aus – und das Gastspiel, dem weitere aus Bonn folgen sollen, ist in der Berliner Szene reichlich umstritten. Wie sich mittlerweile und trotz anders lautender Angaben herausstellte, trägt der Senat einen Teil der Betriebskosten. Lederer: „Das ist nicht unüblich“. Aber unüblich ist, dass die Öffentlichkeit derartiges Engagement für die neue „Kunsthalle Berlin“ eher zufällig erfährt, dank eines „FAZ“-Journalisten (khs).
Man muss sie mal loben, die Stiftung Kunstfonds zur Förderung der zeitgenössischen bildenden Kunst, gesteuert von Karin Lingl, finanziert aus den Etat-Töpfen der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Wie künstlerisches Schaffen seit Jahrzehnten bundesweit und auf der Basis größter Fachkenntnisse unterstützt wird, das ist nicht selbstverständlich, das verdient Anerkennung. Denn Lingl und ihr Team berufen ebenso unabhängige wie kompetente Jurys, die zur Verfügung stehenden Mittel zu vergeben. Vor wenigen Stunden wurde bekannt, dass jetzt weitere 1,7 Millionen Euro ausgezahlt werden können – für 70 Arbeitsstipendien, jeweils mit 22 000 Euro dotiert, und neun Projektvorhaben. Bemerkenswert zudem, dass knapp 60 Prozent der Förderbeträge an Künstlerinnen ausgezahlt werden sollen, darunter Rebekka Benzenberg, Julia Eichler, Eva Grubinger, Susa Templin und Ina Wudtke. Unter den Künstlern sind Christian Falsnaes, Manuel Graf, Benedikt Hipp, Urban Hüter und Franz Wanner zu finden. Gratulationen rundum (khs).
Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn die neue grüne Kulturstaatsministerin und ihr roter Amtsleiter alles beim Alten gelassen hätten. Nein, nachdem vor zwei Monaten zunächst nur Partei-Freund Ali Mahdjoubi, ein treuer Gefährte seit den Neunzigern, mit ins Kanzleramt kam, holen Claudia Roth und Andreas Görgen jetzt nach und nach weitere Vertraute ins Team, so heißt es. So wurde vor wenigen Stunden bekannt, dass Aram Lintzel, den Roth aus der Fraktionsarbeit kennt, den bisherigen Strategen Olaf Gehrke verdrängt, der sich künftig nur noch um Briefmarken und Münzen kümmern darf. Dagegen hat Lintzel soeben begonnen, in Gehrke-Fußstapfen zu treten und die Leitung des sensiblen Bereichs Parlaments- und Kabinettsangelegenheit zu übernehmen. Eine besondere Herausforderung. Hohe Erwartungen (khs).
Es ist ja nicht so, dass Stadtschreiber und andere Künstler, die auf Firmen- und Stiftungskosten irgendwo übergehend aus anderer Perspektive auf allzu routinierte Vorgänge schauen und sie mit Phantasie und Power kommentieren, automatisch neue Erkenntnisse oder gar wirtschaftlichen Aufschwung beschleunigen. Da tut sich oftmals nicht viel. Aber es hilft doch immer wieder, im Sinne von Francis Picabia dafür zu sorgen, dass das Denken die Richtung wechseln kann. Nachvollziehbar also, dass eine der Bundestagsvizepräsidentinnen, Katrin Göring-Eckhardt, kürzlich nach kanadischem Vorbild die Idee vortrug, eine Parlamentspoetin oder einen Parlamentspoeten zu berufen. Indessen: Dass so viel Widerstand keimen könnte, insbesondere aus den Reihen der CDU und der AfD, das hatte die Politikerin nicht erwartet. Akte geschlossen, vorerst. Wiederaufnahme der Debatte wünschenswert (khs).
Es ist eigenartig ruhig in den Staatlichen Museen zu Berlin. Dabei wurde noch während der Amtszeit der vorherigen Kulturstaatsministerin, Monika Grütters, Rechtsaufsicht der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, alles dafür getan, um mit möglichst prominenten Namen neuer Direktoren aufzutrumpfen. Klaus Biesenbach wurde aus Amerika heimgeholt, um die Neue Nationalgalerie zu dirigieren, und das Globetrotter-Duo Sam Bardaouil und Till Fellrath wurde verpflichtet, den Hamburger Bahnhof in die Zukunft zu führen. Alle drei Führungspersönlichkeiten müssten mittlerweile in Berlin im Einsatz sein, und Insider munkelt, dass sie jetzt ahnen, was auf sie zukommt. So soll das Paar Bardaouil/Fellrath momentan mit Eigentumsfragen in Sachen Rieckhallen und Hauptgebäude beschäftigt sein. Nichts ist nämlich dauerhaft festgezurrt, alles unsicher wie schon zu Grütters-Zeiten. Typisch Berlin (khs).
Nein, zu kapieren, was den Berliner Club- und Restkultursenator Klaus Lederer umtreibt, wenn er weder bei der Pressekonferenz noch bei der Ausstellungseröffnung auftaucht, wenn er auch im Vorfeld der Planungen nicht wirklich Interesse zeigt, ob und was in den verlassenen Hangars auf Tempelhof kulturell passiert, das ist schwierig; es bleibt wirklich rätselhaft. Während Michael Müller, als er noch der Regierende Bürgermeister war, der Einladung von Walter Smerling und der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur folgte, um sich selbst ein Bild zu machen, während Müller auch jetzt als Bundestagsabgeordneter schaute, was im Hangar 2 und im Hangar 3 von Smerling und dem Bildhauer Bernar Venet inszeniert wurde, scheint es Lederer scheißegal zu sein, ob Berlin einen weiteren Ort der Gegenwartskunst bekommt oder nicht. Einfach nicht interessiert, der Lederer. Nur auf direkte rbb-Anfrage in einem Fernseh-Interview bäumte er sich soeben kurz auf. Der Titel „Kunsthalle Berlin“ gefalle ihm nicht. Als ginge es nur darum. Lausig, dieser Politikstil (khs).