Man hätte es ihm vorher sagen können. Berlin ist in Unruhe, in Aufregung, beinahe in Boykott-Haltung. Dabei hat er es gut gemeint, sehr gut. Walter Smerling, Museumsdirektor in Duisburg, Stiftungsboss in Bonn, hatte in den Hangers 2 und 3 auf dem Flughafen Tempelhof sein Großprojekt „Diversity United“ inszeniert (mittlerweile in Moskau zu sehen, später in Paris) – und im Anschluss dafür gesorgt, dass die großen Hallen, bereits von ihm mit über einem Kilometer Stellwände ausgestattet, weiterhin für Kunst genutzt werden können (derzeit für eine Retrospektive Bernar Venet), alles privat finanziert. Indes: Weil Smerling unter dem Titel „Kunsthalle Berlin“ segelt, bäumt sich die Berliner Szene auf – und fordert plötzlich die in den neunziger Jahren geschlossene Kunsthalle zurück. Als müsse eine Einrichtung, die diesen Namen trägt, die lokale Künstlerschaft beherbergen. Ein Irrtum (khs).
Dass er kein Meister der Diplomatie ist, hat er schon einmal bewiesen, damals in der Volksbühne in Berlin. Nun steht Chris Dercon, der Leiter im Grand Palais in Paris, erneut in der Kritik, weil die ganze Kunstszene irritiert ist, wie es sein kann, dass die traditionsreiche Kunstmesse FIAC dort rausgeschmissen wird – und ausgerechnet letztlich ein Mitbewerber, nämlich die Art Basel, im Einflussbereich der börsennotierten MCH Group angesiedelt, vor Anker gehen darf. Dercon hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben – und Marc Spiegler, der künstlerische Leiter der Art Basel, bekam den Zuschlag und somit die Chance, vom traditionsreichen Messeplatz aus Frankreich zu erobern. Einziger Trost für alle, die auf Seiten der FIAC stehen: Eine Art Basel Paris wird es nicht geben. Es ist vereinbart, dass MCH und Spiegler einen neuen Messe-Namen kommunizieren, wohl auch ein erweitertes Konzept. Gut so (khs).
Natürlich: Großartige Künstlerinnen sind sie, alle drei, nämlich Rosa Barba, Monica Bonvicini und Hito Steyerl. Keine Frage: Diese Frauen wissen, was sie bildnerisch wollen, wie sie in einer Zeit gesellschaftlicher Turbulenzen ihre Beiträge leisten können. Man wundert sich, warum sie nicht längst zu den Mitgliedern der Akademie der Künste in Berlin gehören, wo 426 sorgsam ausgewählte Musiker, Medienschaffende, Literaten, Filmemacher, Schauspieler, Architekten und bildende Artisten versammelt sind. Dass das Trio jetzt endlich in den elitären Zirkel aufgenommen wurde, ist überfällig, lässt zugleich aber die Frage aufkommen, wo ihre Kollegen sind. Gibt es keine Männer mehr, die Kunst können? Am besten: Männer-Quote fordern (khs).
Völlig richtig, umsichtig, Erleichterung pur. Die Berlinale-Chefs Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian dürfen aufatmen. Der Bund, vertreten durch Staatsministerin Claudia Roth, tut enorm viel, um das diesjährige internationale Filmfestival in Berlin möglich zu machen – auch unter Pandemie-Bedingungen. Roth berichtet soeben im Kulturausschuss des Deutschen Bundestages, dass die Berlinale zwar unter 2G-Plus-Bedingungen stattfinden müsse und auf sieben Tage verkürzt werde, doch (im Gegensatz zum begleitenden Filmmarkt) sie sei als Präsenz-Veranstaltung vorgesehen. Gut so. Allerdings müsse mit erheblichen Einnahme-Verlusten gerechnet werden – zumal nur eine 50-prozentige Belegung der Berlinale-Kinos zu verantworten sei. Verständlich (khs).
Hierzulande wurden Museen und Bordelle mal in einem Atemzug genannt, als die alte Bundesregierung überlegte, was unter Freizeitgestaltungen einzuordnen sei. In den Niederlanden, wo Museen, Theater und Konzertsäle geschlossen sein sollen, aber Friseursalons und Fitnessstudios geöffnet haben dürfen, gab es jetzt eine Retourkutsche, die den Irrsinn wortlos kommentiert. Über 70 Kultur-Institutionen sorgten nämlich für Aufsehen – etwa mit Maniküre und Haarstyling im Museum. Ein origineller Protest (khs).
Wie muss man ticken, wenn man eine solche Anfrage an die Bundesregierung richtet? Was steckt hinter der Kleinen Anfrage 20/381 der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, die nachfragt, ob sich die Regierung „einen Image-Gewinn für Deutschland“ erhofft, wenn sie nun die Rückgabe von Kulturgütern an afrikanische Staaten einleitet? Oder sollte man sich auf derlei Provokationen erst gar nicht einlassen? Schließlich geht’s wirklich nicht ums Image, sondern um späte Wiedergutmachung. Das sollte die AfD eigentlich wissen (khs).
Kein Zweifel: Die documenta 15, die vom Mitte Juni an stattfinden wird, liefert schon im Vorfeld reichlich Zündstoff, viel mehr als man es erwartet hätte, als einst das indonesische Künstler- und Kuratoren-Kollektiv ruangrupa für die Aufgabe nominiert wurde. Eine gewisse Naivität und Weltfremdheit scheint zwar in der Luft zu sein, wenn sich ihre Sprecher etwa zu Fragen des Kunstbetriebs und des Kunstmarkts äußern, doch wenn es um politische Sachverhalte geht, kann man Arglosigkeit nicht durchgehen lassen. Allein die Verpflichtung der umstrittenen palästinensischen Gruppe „The Question of Funding“, Ramallah, lässt den Verdacht aufkommen, dass ruangrupo allemal unsensibel agiert. Schließlich darf Antisemitismus in Deutschland keine Chance mehr haben. Andererseits: Richtig, dass es in diesen Stunden reichlich Stimmen gibt, die davon warnen, die künstlerische Freiheit einzuschränken. Ein Drahtseilakt, der der documenta-Geschäftsführung bevorsteht (khs).
Nichts grundsätzlich gegen den Föderalismus zu sagen. Aber gerade in Pandemie-Zeiten würde man sich wünschen, dass der Bund den Ländern verbindlich mitteilt, was zu tun ist, um gemeinsam und wirkungsvoll Corona zu bekämpfen. Indessen zeigt sich seit 2020, dass jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht, häufig folgenreich, weil manches nebenan, in den Nachbarländern eben, völlig anders geregelt ist und sich die eigenen Maßnahmen dann schnell als sinnlos darstellen. Jüngstes Beispiel: In Bayern empören sich Kulturmacher wie Lucius Hemmer, Musik, und Michael Stacheder, Theater, über die Ungleichbehandlung von Kulturinstitutionen und Gastronomie. Also 2 G plus, Maske und maximal 25-Prozent-Auslastung für Hemmer, Stacheder & Co., dagegen übervolle Gaststätten und dort nur 2 G. Hemmer: „Wenn man weiterhin jeden Restaurant-Besuch besser stellt, bleibt uns nur noch, während der Konzerte auch Schäufele zu servieren“. Recht hat er (khs).
Dass der Berliner Kultursenator Klaus Lederer quasi den Spagat beherrscht und mit links auch Europa als Thema in seinem Ressort mitverwalten lässt, ist eine Sache. Eine andere, überaus fragwürdige ist es, dass die neue Landesregierung in Berlin erstmals in dieser Legislaturperiode auch die Abgeordneten im Kulturausschuss den Lederer-Klimmzug machen lässt. Das Gremium soll künftig obendrein ebenfalls Europa-Angelegenheit mitverhandeln. Kurzerhand angepasst, wie so oft in der Politik, wo es nicht zwangsläufig um Kompetenz, sondern vor allem um Ressort- und Postenschacher geht (khs).
Stinkesauer sind sie, die Tätowierer, und das ist bestens nachvollziehbar, müssen sie doch den Moment abpassen, in dem sie, heimlich, ihre letzten Farbvorräte einsetzen. Eine neue EU-Verordnung verbietet nämlich, dass fortan mit farbiger Tinte gearbeitet wird. Logisch, dass man sich in den Tattoo-Studios gewissermaßen schwarz ärgert, zumal manche begonnenen Motive nicht wie geplant fertiggestellt werden können. Dabei wissen Experten, darunter der Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos, dass die der Regelung vorausgegangene Debatte von falschen, unbewiesenen Annahmen ausging. Es sei wissenschaftlich keinesfalls belegt, dass die verwendeten Inhaltsstoffe der Farben eine Hautkrebs-Erkrankung auslösen könnten (khs).