Er scheint dank der Widerstände zu wachsen. Auf jeden Fall kein Rückzug, nicht der geringste. Walter Smerling, Stiftung für Kunst und Kultur in Bonn, dem seit Wochen in Berlin wegen der Nutzung der Hangars 2 und 3, Tempelhof, von der lokalen Szene und von einigen überregional tätigen Journalisten das Leben schwer gemacht wird, nimmt die nächste Hürde. Zwar hat er die ursprünglich für den 13. März geplante Übergabe der „Walking Bag“-Skulptur von Erwin Wurm im öffentlichen Bonner Stadtraum soeben wegen der Ereignisse in der Ukraine absagen lassen, aber die offizielle Feier soll nachgeholt werden, teilt die von ihm dirigierte Stiftung mit. Vermutlich erheben Smerling-Kritiker dann erneut ihre Stimme, denn die vier Meter hohe Wurm-Arbeit, letztlich eine Luxushandtasche auf zwei Beinen, kopflos, war schon in der Planungsphase überaus umstritten. Dabei könnte man sie durchaus auch als Symbol konsumkritischer Haltung interpretieren (khs).
Dass Künstler als Kuratoren durchaus eine überzeugende Arbeit machen, weiß man, weil sie eben auch die Bedingungen kennen, unter denen bildnerisches Schaffen möglich ist. Von Kader Attia und Joseph Beuys oder André Breton bis zu Maurizio Cattelan und Bogomir Ecker haben unzählige Maler und Bildhauer in der Vergangenheit Ausstellungen inszeniert, die in Erinnerung geblieben sind. Dass sich Künstlerinnen in das Werk von Kolleginnen womöglich noch tiefer und einfühlsamer versenken können als Männer, zeigt bis Mitte Mai eine Ausstellung im Kunstmuseum Basel. Dort hat Jenny Holzer in zweijähriger Vorbereitung ihrer 2010 im hohen Alter von 98 Jahren verstorbenen Freundin Louise Bourgeois eine besondere Retrospektive gewidmet. Sie beginnt bereits im Fahrstuhl, wo aus kleinen Lautsprechern eine singende Bourgeois wahrzunehmen ist, und sie endet nicht dort, wo Holzer, von Saal zu Saal, eine Art Rückverwandlung betreibt – bis hin zu Louises Mädchen-Zeit. Eine starke Idee (khs).
Wenn das mal kein Irrtum ist. Wie so viele Museumsdirektoren und Institutionsleiter hat auch Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, zum Krieg in der Ukraine Stellung genommen. Wie zuvor Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, will sie alle Aktivitäten mit russischen Einrichtungen vorerst auf Eis legen. Und dann heißt es, sie sei zutiefst davon überzeugt, „dass die Kultur auch dort kulturdiplomatische Brücken zu bauen vermag, wo die Politik versagt“. Man könnte es auch anders sehen: Das Feigenblatt Kultur wird bisweilen missbraucht, um die wahren Zustände zu kaschieren. Bestes Beispiel ist die in diesen Stunden in Moskau noch laufende Ausstellung „Diversity United“, von Walter Smerling und der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur in bester Absicht nach Russland gebracht (khs).
In Sewastopol auf der ukrainischen, von Wladimir Putin widerrechtlich annektierten Halbinsel Krim soll eine Oper entstehen, alles im Detail geplant und angelaufen, und nun, so berichtet der Wiener Architekt Wolf Prix, Coop Himmelb(l)au, gibt es immer mehr Stimmen und auch massiven Druck, das Mehrspartenhaus mit Theater und Ballett nicht fertigzustellen. Er möge sich distanzieren – vom Projekt, freilich von Putin. Auch die „Süddeutsche Zeitung“ konfrontierte Prix vor wenigen Stunden mit Fragen vor moralischem Hintergrund. Im blaugelben Übereifer politisch korrekter Haltung wird derzeit allerdings schnell mal übersehen, dass sich der knapp 80-jährige Baumeister keinesfalls für den russischen Präsidenten stark macht, ihn gar verstehen will, wie das ein Gerhard Schröder unbeirrt tut. Er baue keine Kaserne, hat Prix treffend erläutert, sondern eine Oper (khs).
Kein Zweifel: Es gehört Mut dazu, viel Mut, wenn sich Russen in diesen Tagen gegen die Anweisungen ihres offenbar völlig abgedrifteten Präsidenten stellen, wenn sie im 21. Jahrhundert dessen unsägliche Krieg- und Machtspiele nicht mitmachen wollen, sondern kritisch kommentieren und obendrein im Rahmen ihrer Möglichkeiten reagieren. Chapeau mithin, wenn die beiden Künstler und ihr Kurator, die den russischen Biennale-Pavillon in Venedig gestalten sollten, auf ihre Teilnahme verzichten, wenn das Privatmuseum Garage in Moskau aus Protest gegen Wladimir Putin geschlossen bleibt (khs).
Er war einer der ersten Stiftungs- und Museumschefs, die reagiert haben, die beherzt ein deutliches Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg setzten. Der Archäologe und Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, hat sein Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine und seine Sorge um die dort reichlich vorhandenen Kulturschätze ausführlich begründet und für seine in Berlin ansässige Institution eine Entscheidung getroffen, die aufhorchen lässt. Vorerst, so Parzinger, würden sämtliche Projekte und Planungen, auch jene im „Deutsch-Russischen Museumsdialog“, konsequent eingefroren. Wenn die Ukraine angegriffen werde, könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Völlig überzeugend (khs).
Das muss ihr erst mal jemand nachmachen. Vor knapp drei Jahrzehnten galt sie als Geheimtipp, als eine der hoffnungsvollsten Künstlerinnen, weil sie dank ihrer radikalen Grundhaltung kompromisslos gegen sich selbst und eben auch gegen den Kunstbetrieb vorging. „Wallfuckin“, so der Titel eines Videos. Keine Beschönigungen und Beschwichtigungen, keine Harmonien, lieber das Gegenteil. Und wenige Jahre später, nämlich 1999, kassierte Monica Bonvicini in Venedig bereits einen Goldenen Löwen. Jetzt dreht die Künstlerin erneut auf: 2022 – ihr Jahr. Große Ausstellungen in Graz und Winterthur sind geplant, und von Ende Oktober an soll sie die obere Halle in der sanierten Neuen Nationalgalerie in Berlin bespielen. Ankunft im Olymp. Verdient (khs).
Noch vor der für den Sommer geplanten Eröffnung ihres Privatmuseums in Wien lässt sich sagen: Sie hat alles richtig gemacht. Denn die Sammlerin Heidi Horten, die schon mal in einem Atemzug mit Peggy Guggenheim und mit Helene Kröller-Müller genannt wird, war mit dem 1987 verstorbenen Kaufhaus-König Helmut Horten verheiratet und musste sich jahrelang, nicht nur hinter vorgehaltener Hans, den Vorwurf gefallen lassen, letztlich ebenfalls von einem Vermögen zu profitieren, dass einen “braunen Makel“ habe. Es sei während der NS-Zeit aufgebaut worden (durch die Übernahme jüdischer Kaufhäuser). Heidi Horten hatte vor zwei Jahren Peter Hoeres, Uni Würzburg, als Gutachter beauftragt und jetzt eine Art Freispruch erhalten, überzeugend begründet (khs).
Natürlich muss das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe am Ball sein, die jüngsten Trends aufspüren und auch Relikte der fragwürdigsten Art in die eigene Sammlung nehmen. Die sogenannten Non-Fungible Tokens (NFT), auf die sich derzeit eher Kapitalanleger als echte Kunstfreunde stürzen, gehören dazu. Zwar wissen alle Insider, dass künstlerisch noch nicht viel geboten wird, doch das wird allemal von jenen hingenommen, die sich vor allem an der Blockchain-Technologie berauschen. Jetzt hat die Szene einen Denkzettel bekommen. Im ZKM sind nämlich zwei Tokens quasi verlorengegangen; genauer: durch ein Tasten-Malheur ist der Zugang zu den Eigentumszertifikaten nicht mehr möglich. Schaden: 400 000 Euro. Zum Glück, so darf man sagen, hat diese digitale Kunst einst kaum was gekostet. 91 und 96 Euro; Kleingeld angesichts des Millionenetats (khs).
Natürlich kennt man Sylvie Meis, Fernsehmoderatorin und Wäschelabelfrau. Ihren Ehemann, einen gewissen Niclas Castello, mit dem sie seit 2020 verheiratet sein soll, müsste man kennen, glaubt man der Yellow Press. Indes: Wo war Castello in den zurückliegenden Jahren vertreten, was hat der Mann an der Seite von Sylvie Meis künstlerisch bewegt? Genau genommen, so scheint es, tritt er jetzt erst, 2022, groß in Erscheinung – dank einer Tagesaktion in New York, Central Park, und eines folgenden Dinners für ausgewählte VIPs an der Wall Street. Castello hatte einen streng bewachten 24-karätigen, zehn Millionen Dollar teuren Goldblock vor der Konzertmuschel platziert und damit für seine eigene Krypto-Währung werben wollen, Castello Coin genannt. Und selbstverständlich mochte sich der Goldjunge die Gelegenheit nicht entgehen lassen, um von seiner bevorstehenden NFT-Auktion zu berichten. Viel Wirbel um wenig (khs).