Hätte man ihn, Kasper König,den Altmeister der Kuratoren, nicht noch eine Runde weitermachen lassen können? Musste man ausgerechnet jetzt, nachdem er bereits sage und schreibe fünf Mal die künstlerische Leitung der renommierten Skulptur Projekte in Münster innehatte, den Wechsel herbeiführen? Denn für die nächste Ausgabe dieser stets hochkarätig besetzten Schau der Kunst im öffentlichen Raum, für 2027 mit einem Neun-Millionen-Etat vorgesehen, soll ein neuer Kurator gefunden werden (die Findungskommission wird im Herbst eingesetzt). Dabei hatte Kasper König im Jahr 1977 und somit exakt 50 Jahre vor der kommenden Ausstellung den Gründungsdirektor gegeben. Man hätte es ihm gewünscht, die Skulptur Projekte noch einmal inszenieren zu dürfen (khs).
Musste das sein? Wer kam auf die Idee, einen der Hitler-Lieblinge unter den Bildhauern, Josef Thorak, noch einmal in Berlin zu feiern? Oder soll es tatsächlich eine echte kritische Auseinandersetzung werden, wenn im Herbst in der Hauptstadt, Zitadelle Spandau, jene Bronze-Prachtrösser des Künstlers aufgestellt werden, die bis 1943 vor der Reichskanzlei standen und dann verschwanden. Zuletzt waren die Adolf-Hengste von Nazi-Fans versteckt und dann beschlagnahmt worden. Derzeit lagern sie noch in einer Halle, verwahrt vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, und man würde sich wünschen, dass sie dort auch bleiben dürfen. Zumal allerorten der öffentliche Raum gründlich durchleuchtet wird – und solche Relikte vergangener Zeiten lieber abgeräumt als installiert werden (khs).
Nun ist es vollbracht. Catherine Nichols, die aus Berlin kommende Kuratorin der 14. Manifesta (die vom 22. Juli an in Pristina, Kosovo, stattfinden wird), hat soeben die lange streng vertraulich gehütete Künstlerliste veröffentlicht. Es handelt sich um insgesamt 77 Teilnehmer/innen aus über 30 Ländern, darunter die Hälfte aus dem Kosovo. Hatte man Sorge, dass der überall anzutreffende Trend zum Kollektiv auch diese Großausstellung prägen könnte, ist nun mit Erleichterung festzustellen, dass von Nichols insgesamt nur 17 Gruppen berücksichtigt wurden, darunter das Haveit Collective, StoryLab, tamtam und Werker Collective. So wird die Auseinandersetzung mit einzelnen Positionen und individuellen Künstler-Biografien weiterhin möglich sein. Zu den weithin bekannten Positionen zählen Lee Bull, Petrit Halilaj, Flaka Haliti, Roni Horn, Adrian Paci, Ugo Rondinone und Chiharu Shiota (khs).
Man mag es kaum glauben. Da veröffentlicht die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (am 3. April) eine komplette Seite unter dem Titel „Die Couch hat etwas sehr Intimes“, und die Autorin, eine Anne-Christin Sievers, versäumt es, den von ihr per Interview gewürdigten Münchner Künstler Albrecht von Weech nach Horst Wackerbarth zu fragen. Der nämlich und eben nicht Weech, der gleich in seiner ersten Antwort von der angeblich eigenen Idee schwärmt, Menschen auf einem roten Samtcouch zu fotografieren, war in den Neunzigern der Mann, der das Rote Sofa im Kunstbetrieb salonfähig machte. Ergo: Die zunehmende Geschichtslosigkeit und das inzwischen wohlgefällig überall zelebrierte Nichtwissen lassen sich an diesem Beispiel aufs Fatalste dokumentieren (khs).
Was das Regime Wladimir Putin zu verantworten hat, sind zunächst einmal unzählige Menschenleben, die in einem Krieg geopfert werden, für den es nicht die geringste Legitimation gibt, mögen noch so viele Russland-Sympathisanten in den Talk-Shows sitzen. Dass der Westen dem gefährlichen Machthaber und unbarmherzig auf Landeroberung programmierten Despoten ungeheuer naiv auf den Leim ging, das war freilich schon vor Kriegsausbruch zu beobachten. Wie Putin mit Künstlern, Medienschaffenden und Intellektuellen umgeht, ist seit langem bekannt. Nun kommen tagtäglich neue Fakten hinzu. Während der Architekt Sergei Sitar in Moskau inhaftiert wurde, weil er eine ukrainische Flagge in den öffentlichen Raum brachte, ließ der Kreml-Autokrat bei Charkiw, Ukraine, ein Denkmal unter Beschuss nehmen, das ermordeten Juden gewidmet war. Ein Irrsinn, bedenkt man zudem, dass der russische Präsident sein Nachbarland „entnazifizieren“ will (khs).
Der Konzept-Art und somit einem zurückliegenden Jahrhundert verdankt man mannigfach bildnerisch umgesetzte Ideen, mehrere und oft weit auseinanderliegende Orte gedanklich miteinander zu verbinden. So gesehen, das muss man allen sagen, die denken, da habe einer das Gelbe vom Ei entdeckt, ist es keine besondere Leistung, wenn Kang Sunkoo, einer der „Kunst am Bau“-Artisten im Berliner Humboldt Forum, einen Teil seiner Plastik „Statue of Limitations“ im Gebäude platziert hat –und den anderen weit weg, am Nachtigalplatz in Wedding. Wenn es im Kontext dieser zweiteiligen Fahnenstangen-Arbeit aus patinierter Bronze etwas gibt, was es zu loben gilt, dann ist es Kangs Fähigkeit, auf die Situation vor Ort richtig zu reagieren. „Ich habe mich vom Humboldt Forum bedroht gefühlt“, räumt der in Seoul Geborene ein, „von diesem Schloss, das für mich Kolonialismus, Rassismus und Imperialismus repräsentiert“ (khs).
Der weiter zunehmende weltweite Hype um die Blockchain-Technologie und die NFTs, die als digitale Kunstwerke teils völlig absurde Preise erzielen, bekommt in diesen Tagen einen tüchtigen Dämpfer, und das ist gut so. Denn immer mehr wirkliche Künstler und anerkannte Experten bescheinigen der Speicherware bildnerische Unerheblichkeit. Vor allem aber scheint die NFT-Macher-Szene selbst allmählich Zweifel am eigenen Tun zu entwickeln. Beeple, der bürgerlich Mike Winkelmann heißt, der in South Carolina lebt, erzielte zwar im Januar 2021 bei Christie’s sage und schreibe 69 Millionen Dollar für seine digitale Collage „The Fist 5 000 Days“, doch mittlerweile malt er, ganz konventionell, Öl auf Leinwand – und zu halbwegs akzeptablen Preisen bis zu 300 000 Dollar (khs).
Ob sich David Breslin das so gedacht hat? Er, einer der Kuratoren der kommenden Whitney Biennial in New York (6. April bis 5. September), konnte in der Planungsphase der stets Aufsehen erregenden Großausstellung nicht wissen, dass zum Start der Schau, „Quiet as It’s Keep“, ein irrgeleiteter Putin die Ukraine plattmachen würde. Dabei, so das Konzept, soll diese Ausstellung helfen, die Zeit zu verstehen. Doch man hat es ja einst schon anlässlich 9/11 gesehen: Bis die Künstler – wie alle – aus ihrer Sprachlosigkeit herauskommen und bildnerisch überzeugende Antworten finden, dauert es. So wird die diesjährige Whitney Biennial zwar mit Karacho gesellschaftspolitische Themen zuhauf aufgreifen, von der amerikanischen Grenz-Debatte bis zur globalen Corona-Krise, doch Breslin und sein Team, so heißt es, können zum russischen Angriffskrieg notgedrungen keinen künstlerischen Kommentar beisteuern. Ein schmerzhafter Fall für die übernächste Biennale (khs).
Von außen betrachtet, so denkt man, müssten in Venedig alle Einheimischen froh sein, dass die Stadt dank der Biennalen einen derart guten Ruf hat. Mögen auch die Kreuzfahrtschiffe und der überbordende Tourismus immer wieder für erregte Debatte sorgen, die der Architektur, dem Film oder der Kunst gewidmeten Großausstellungen waren bislang unumstritten. Man war sogar stolz. Doch mittlerweile, kurz vor Eröffnung der 59. Biennale der bildenden Kunst im April, von Cecilia Alemani kuratiert, mehren sich die Stimmen gegen die vorgesehene weitere Ausdehnung des Kunst-Areals. Das einst vom Militär genutzte Arsenal, das für 140 Millionen Euro als Biennale-Archiv ausgebaut werden soll, war nun sogar Ort einer Demonstration. Soll einer die Venezianer verstehen (khs).
Als in London, Royal Academy, die Ausstellung zum Werk des vor 30 Jahren gestorbenen Malers Francis Bacon geplant wurde, konnte niemand wirklich wissen, dass diese Schau, „Man and Beast“, eine derartige Aktualität durch das Weltgeschehen bekommen würde. Inzwischen herrscht Krieg in der Ukraine, und die Besucher der Ausstellung halten vor vielen Bildern des Grauens den Atem an. Was Bacon auf die Leinwände gebracht hat, jene verdrehten, verstümmelten, blutenden Leiber, oft auch als Triptychon inszeniert, das erscheint so nah an der Wirklichkeit zu sein, am russischen Bomben-Terror mit seinen unzähligen Opfern, dass diese Gemälde nun mehr wie eine Anklage wirken. Trost durch Kunst sieht anders aus (khs).